KUNST AUF PFÄHLEN

Apfel, Birne? -oder - der Verlust der Unschuld

Jülle der Möppel

Im Kunstwerk des Glasapfels zeigt sich eine klare Verbindung zur biblischen Erzählung von Adam und Eva im Garten Eden. Der Apfel stellt als Symbol der Versuchung eine Verbindung zum Baum der Erkenntnis dar, von dem Adam und Eva gegessen haben, um ihr Wissen zu erweitern.

Der Apfel in Glas erscheint damit als das scheinbar perfekte Abbild einer Frucht, die auf Verführung angelegt ist und die zugleich unerreichbar ist. So wie es Adam und Eva verboten war, vom Baum der Erkenntnis zu essen, wird der Betrachter von dem gläsernen Apfel scheinbar eingeladen, ihn zu berühren, ihn in der Hand zu halten ohne ihn je schmecken zu können. So wird sich ihm nie erschließen, ob die verführerische Frucht tatsächlich nach Apfel oder Birne schmeckt.

Das Kunstwerk erinnert uns daran, dass wir uns nicht von äußeren Erscheinungen täuschen lassen sollten. Der Spruch "sich kein X für ein U vorzumachen" kommt hier zum Tragen. Der gläserne Apfel scheint perfekt. Aber ist er echt? Ist er vielleicht hohl? Und ist es überhaupt ein Apfel? Es kann sein, dass wir Dinge auf den ersten Blick falsch einschätzen oder uns von ihnen blenden lassen, dass also die Substanz des Apfels und seine Eigenschaft einander nicht entsprechen. Vielleicht steht der Apfel symbolisch für etwas Anderes.

So wie die belgische Stadt Brügge, bekannt für ihre mittelalterliche Architektur und romantische Kanäle, als Symbol für vergangene Zeiten stehen könnte, in der Menschen noch unbedarft und unschuldig waren, so steht der Apfel für den Verlust der Unschuld, ist der Glasapfel ein Hinweis auf eine Erbschaft, die uns als Geschenk anvertraut wurde und unser Leben begleitet. Wie wir mit dieser Erbschaft umgehen und was wir daraus machen, liegt ganz bei uns.

Jülle der Möppel

Schon in der Vergangenheit haben sich namhafte Persönlichkeiten mit der Bedeutung des Apfels für die kulturelle Entwicklung beschäftigt. Ihnen soll hier Raum gegeben werden, das Kunstwerk in seiner Wirkungsgeschichte einzuordnen. 



Im Glashaus sitzen

Der Apfel im Werk des Heimatdichters Justus Wegener

In Bezug auf Justus Wegener könnte man sagen, dass seine Gedichte oft von der Natur und dem menschlichen Leben inspiriert waren. In seinem Werk "Polsumer Sonette" beschrieb Wegener das Leben in seinem Heimatort und die Menschen, die dort lebten. Die Themen der Vergänglichkeit des Lebens und der Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, kommen in seinen Gedichten zum Ausdruck.Eine besondere Rolle spielt für ihn der Polsumer Möppel, das Symbol für den Polsumer Poalbürger, der als Steinplastik, in Polsum einem Dorf bei Altendorf-Ulfkotte zu sehen ist. Als Symbol für die lokalen Traditionen und Bräuche kann der Möppel ebenfalls mit dem Kunstobjekt „Apfel in Glas“ in Verbindung gebracht werden, da beide für Glück und Erfolg im Leben stehen.

Der gläserne Apfel ist auf seine Art eine visuelle Metapher für die Themen, die auch in Wegeners Gedichten zum Ausdruck kommen. Im Glashaus sitzend, für alle anzuschauen und trotzdem nicht erreichbar. Gläsern und zugleich undurchsichtig, ein Hinweis auf das Leben und die Vergänglichkeit sowie für die Suche nach Erkenntnis und Erfüllung im Leben. Von der biblischen Geschichte von Adam und Eva bis hin zum Polsumer Möppel und den Gedichten von Justus Wegener, ist das Kunstwerk ein faszinierendes Beispiel für die Vielschichtigkeit und Komplexität von Kunst und Symbolik

 




Von Möppel zu Möppel im Apfelland

In Polsum steht ein Möppel aus Stein

er trägt die Last der Vergänglichkeit.

Ein Glücksbringer für die hiesigen soll er sein,

in seiner Seele wohnt die Ewigkeit.

 

Doch steht uns ein anderes Ding im Blick,

ein Hinweis auf den Sündenfall,

Ein gläsernes Obst, so bunt und chic.

Steht für Versuchung vielhundertmal.

 

Der Baum der Erkenntnis gab Eva die Macht.

Der Apfel erzählt uns von der Geschichte,

Von Täuschung, Verrat, die er uns gebracht

Vom Fall der Menschen - von Gottes Gerichte.

 

Und während wir durch Polsum flanieren,

In alten Gassen und dunklen Bars dinieren,

Erinnert uns der Apfel daran, dass

man uns kein X für ein U vormachen kann.

 

So wie der Polsumer Möppel uns begleitet,

Ein Symbol für die Vergänglichkeit des Lebens,

So auch der Apfel uns durch die Zeitläufte leitet.

des Täuschens und erfolglosen Strebens.

Heimatdichter Justus Wegener 





Von der Metaphysik der Sitten

Immanuel Kant und der katalogische Indikativ

 

Nach Immanuel Kant hat der Glasapfel nicht ausschließlich eine ästhetische Funktion, sondern darüber hinaus eine ethische und intellektuelle. Es dient dazu, dem Betrachter die Konsequenzen seines Handelns vor Augen zu führen und ihm die Wichtigkeit moralischer Regeln bewusst zu machen. Dabei spiele die Verbindung des Kunstwerks mit der biblischen Geschichte des Sündenfalls eine zentrale Rolle, da sie aufzeige, dass moralische Regeln nicht nur von Menschen gemacht werden, sondern die immanente Präsenz in die ontologische Dimension des Seins transzendiert werde. In seinen Betrachtungen zu einigen Fragen der Aufklärung führt Kant aus, dass das Kunstwerk an sich und der Apfel im Besonderen nicht nur eine passive Funktion hat, sondern den Betrachter aktiv fordert, sich seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit zu entledigen und sich ein eigenes Bild von der sittlichen Verkommenheit der Paradiesfrucht zu machen. Letztlich dürfe er sich kein X für ein U vormachen lassen und müsse seine moralischen und intellektuellen Fähigkeiten nutzen, um die Bedeutung des Kunstwerks zu verstehen und zu reflektieren.

Der Betrachter solle sich von der Kritik der reinen Vernunft leiten lassen, wenn er die Vielzahl der enthaltenen Symbole auf ihren Gegenwartsbezug hinterfrage. Diese spielten eine wichtige Rolle, da sie dem Betrachter verschiedene Perspektiven auf das Thema eröffnen und ihm so ermöglichten, seine eigenen Gedanken und Empfindungen zu entwickeln.

Insgesamt sei das Kunstwerk des Glasapfels ein Beispiel für die Symbiose von ästhetischer Erfahrung und moralischer Reflexion und stehe für die Entwicklung eines reflektierten und moralisch verantwortlichen Individuums, das in dieser dystopischen Epoche, die Verletzlichkeit irdischen Seins antizipiere und in eine transzendente Hoffnungsperspektive verwandle.

 



Wer bin ich – und warum ein Apfel?

Ein Abend mit Markus

 

Richard David Prechtig sieht einen Zusammenhang zwischen dem Kunstwerk des Glasapfels und der biblischen Geschichte des Sündenfalls und deutet sie als eine Metapher für die menschliche Natur, in der es eigentlich alles und nicht nur nichts gibt. Der Mensch, der wie Adam und Eva das Verbotene tue und dadurch die Welt des Unrechts und der Sünde betrete, sei ein wiederkehrendes Thema in den philosophischen Betrachtungen der Antike und stehe sinnbildlich für die Kunst, ein Egoist zu sein.Nach Prechtig kann die menschliche Natur ambivalent sein und sowohl die Fähigkeit zum Guten als auch zum Bösen in sich tragen. Der Apfel [lat.: malus = schlecht, schlimm, böse] als Symbol für das Böse und das Gute steht als Metapher für das Dilemma des menschlichen Handelns. Schon in seinen sinnfreien Plaudereien mit Markus Lanz abends am Kamin habe er darauf hingewiesen, dass der Glasapfel als ästhetisches Konstrukt den Betrachter [und die Betrachterin] einlädt, diese Ambivalenz zu erkennen und zu reflektieren.

Die Verbindung zwischen dem Apfel, der weiblichen Kraft und Fruchtbarkeit und Verführung kann als Hinweis auf die Rolle der Frauen in der Gesellschaft interpretiert werden. Prechtig betont in seinen Werken, dass die Gleichstellung der Geschlechter ein wichtiger Schritt für die Entwicklung einer gerechteren Gesellschaft ist, dass also auch der pantoffelbewehrte Mann das Sein auf der Couch eintauschen müsse gegen die sinnstiftende Aktivität zur Erhaltung der Art. Nicht Kartoffelchips und Bier bringen Freiheit für alle, sondern der Widerstand gegen patriarchale Verhaltensmuster. Das Kunstwerk des Glasapfels verdeutlicht, dass ein X auch in unserer Zeit der Krisen noch lange kein U ist und will als Erinnerung an diese Tatsache dienen.

In seinem Werk „Von der Pflicht“ stellt Prechtig heraus, dass über viele Jahrhunderte der Apfel in Form des Reichsapfels als Symbol für die Macht des Herrschers [oder der Herrscherin] stand und in den Zeiten aufkeimender Totalitarismen und Diktaturbestrebungen als Anspielung auf die Problematik der Macht in der Gesellschaft interpretiert werden kann. Prechtig führt aus, dass eine gerechtere Gesellschaft nur durch die Verteilung der Macht erreicht werden kann. Das Kunstwerk des Glasapfels hält dem Betrachter [und der Betrachterin] einen Spiegel vor und fordert diese somit auf, über die Fragen der Macht und der Gerechtigkeit nachzudenken.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Kunstwerk des Glasapfels für Richard David Prechtig eine Metapher für die menschliche Natur, die Ambivalenz des menschlichen Handelns, die Gleichstellung der Geschlechter und die Verteilung der Macht in der Gesellschaft ist. Das Kunstwerk lädt den Betrachter [und natürlich die Betrachterin] ein, über diese Themen nachzudenken und die eigenen Gedanken und Empfindungen zu reflektieren.

 



Die Kunst dem Volke – Von der Revolution durch die Revolution

Bereits während seines Züricher Aufenthalts beschäftigte sich der große Revolutionär und Kunstliebhaber Wladimir Iljitsch Lenin in seinem Frühwerk „Über Kultur und Kunst“ mit der Verführungskunst der Massen durch Äpfel. Schon viele Jahrhunderte hätten Generationen von Bauern Bäume angepflanzt, allein zum Zwecke, deren Früchte zu vernaschen. Jahrzehnte später wurde dieses Motiv aufgegriffen, nur dass mangels Äpfeln auf die exotische Frucht der Banane zurückgegriffen wurde und die Getäuschten, die sich nicht länger ein X für ein U vormachen lassen wollten, wenig später ihre blühenden Landschaften zurückforderten. Lenin betont, dass Kunst immer ein Produkt der gesellschaftlichen Verhältnisse ist und somit eine politische Aussage transportiert. Insofern müsse der Glasapfel hinter Glas, der eigentlich eine Birne sei, in erster Linie als politisches Statement betrachtet werden. Er stehe für die Entfremdung des Menschen von der Natur und seiner eigenen Arbeit. Durch den Verlust der Beziehung zur Natur werde der Mensch seiner Freiheit beraubt und unterliege der Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise.

Der Apfel als Kunstwerk – eingesperrt in ein gläsernes Gefängnis - diene als Metapher für die kapitalistische Gesellschaft, die den Menschen seiner Freiheit und Selbstbestimmung beraubt.

Lenin sieht die Lösung in der Überwindung des Kapitalismus und der Einführung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung. Der Apfel müsse dem Kapital entzogen und allen Werktätigen zugeteilt werden, damit endlich die über die Produktionsmittel verfügten, die daraus Apfelsaft oder Mus machten. Das Kunstwerk des Glasapfels könne somit als Aufruf zur sozialistischen Revolution verstanden werden, die den Menschen von der Herrschaft des Kapitals befreie und ihn in eine selbstbestimmte und freie Zukunft führe.


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